Das Meta-Modell der Sprache
Der Titel meines heutigen Artikels klingt direkt ein wenig sperrig, oder? Was soll denn bitteschön ein Meta-Modell sein?
Wissenschaftler bedienen sich diesem Ausdruck, wenn sie damit das Modell eines Modells beschreiben möchten. Gemeinhin verstehen wir unsere Sprache als individuelles Modell und wenn wir ein Modell der Sprache erstellen wollen, reden wir folglich vom Meta-Modell der Sprache. Am Ende ist es aber vermutlich gar nicht so wichtig, wie wir den Inhalt, der gleich folgt, genau Benennen. Deshalb langweilige ich Dich auch gar nicht so lange mit dem Namen. Kümmern wir uns lieber um den Inhalt, der ist nämlich umso spannender.
„Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“
Ludwig Wittgenstein – Logisch-Philosophische Abhandlung (Tractatus logico-philosophicus)- Satz 5.6
Die Sprache eines Menschen bildet aber nicht nur die Grenzen seiner Welt, sondern auch sein ganz persönliches Abbild eben dieser. Anhand der Sprache können geschulte Beobachter erkennen, welchen Blick auf die Welt jemand hat. Aufgrund dessen, was jemand sendet, kann man Rückschlüsse darauf ziehen, wie er die Welt selbst wahrnimmt und erlebt. Diese Tatsache kann in jeder Form der Kommunikation genutzt werden. Am nützlichsten ist das Meta-Modell der Sprache aber vermutlich bei der therapeutischen oder beratenden Arbeit mit Menschen.
Um das Meta-Modell der Sprache besser zu verstehen, müssen wir uns die beiden Ebenen ansehen, auf der Sprache basiert und die miteinander in Wechselwirkung stehen. Die Tiefen- und die Oberflächenstruktur.
Inhalt
Tiefenstruktur
Grundsätzlich haben wir eine sehr genaue Vorstellung von dem, was wir gerne erzählen und kundtun möchten. Das Denken geschieht dabei deutlich schneller als die Sprache. Außerdem sind wir beim Denken deutlich sensibler und vielfältiger. Das was im Denken geschieht ist daher sehr viel detaillierter und umfangreicher als das was wir per Sprache ausdrücken.
Aber allzu viel Information ist für eine erfolgreiche Kommunikation eben auch zu viel. Würden wir alles versuchen in Sprache zu packen, was wir über einen Sachverhalt denken, wäre unser Gegenüber schnell gelangweilt und könnte uns vermutlich nicht mehr folgen.
Das was gedacht wird, nennen Linguisten – also Sprachforscher – die Tiefenstruktur.
Die Tiefenstruktur entzieht sich größtenteils dem Bewusstsein. Wir verkürzen die Tiefenstruktur, um uns klar und deutlich ausdrücken zu können. Dadurch ergibt sich eine Diskrepanz zwischen dem Gesagten und dem Gedachten.
Oberflächenstruktur
Die gesprochene Aussage wird Oberflächenstruktur genannt. Also das, was wir – nach der Reduktion des Gedachten – aussprechen.
Jeder von uns – auch Du – bedient sich dreier Möglichkeiten, um die Diskrepanz zwischen Tiefenstruktur und Oberflächenstruktur zu überwinden. Diese drei Möglichkeiten schauen wir uns ein wenig genauer an.
Generalisierungen / Verallgemeinerungen
Jeder von uns hat in seinem Leben bereits einige Erfahrungen gemacht. Zum Beispiel hast Du sicherlich schon sehr häufig erlebt, dass Wasser aus dem Wasserhahn kommt, wenn Du diesen aufdrehst. Auf diese Erfahrung verlässt Du Dich und ersparst Dir vermutlich die Prüfung, wenn Du ein Bad betrittst. Du gehst einfach davon aus, dass „aus Wasserhähnen immer Wasser kommt“. Universalbegriffe wie „immer“, „nie“, „jeder“, „keiner“, „niemand“ sind häufig Hinweise auf eine Generalisierung.
Aber auch Notwendigkeiten und Unmöglichkeiten helfen beim Verallgemeinern. Dazu nutzen wir zum Beispiel Aussagen wie „ich muss“, „ich sollte“, „ich kann nicht“, „es ist notwendig“, „ich darf nicht“, „es ist unmöglich“, etc.
Zitate und Redewendungen sind auch gerne genommen, um zu Verallgemeinern: „Das geht eh nicht“, „wer rastet, der rostet“, „der frühe Vogel fängt den Wurm“ und ähnliches.
Natürlich nutzen wir Generalisierungen (genauso wie die anderen beiden Methoden) nicht, um unser gegenüber zu täuschen. Es ist eben eine kleine Abkürzung. Informationen, die der andere auch schon gesammelt hat, benötigen keine erneute Erklärung. Wir gehen davon aus, dass der andere unsere Interpretation der Verallgemeinerungen mit uns teilt.
Problematisch wird die Generalisierung daher, wenn der Empfänger andere Erfahrungen gemacht hat, als der Sender. Das kann die Kommunikation erschweren und zu Missverständnissen führen. Außerdem könnten Verallgemeinerungen zu Annahmen führen, die eventuell falsch sein könnten. Nur weil Du schon einmal von einem Hund gebissen wurdest, heißt das nicht, dass „alle“ Hunde gefährlich sind.
Tilgungen / Weglassungen
Um möglichst schnell von der Tiefenstruktur zur Oberflächenstruktur zu gelangen, kann man auch schon mal ganze Informationssequenzen weglassen. Dadurch entstehen sehr allgemeine Aussagen, wie z. B. „ich freue mich“, „es ist gut“, „ich fürchte mich nicht mehr“, „ich wurde gelobt“, etc. auf die Frage „wie geht es dir?“. Es wäre vermutlich auch schwierig alle Gefühlsregungen und Empfindungen auszudrücken, die wir gerade empfinden.
Auch Vergleiche eignen sich hervorragend zum Tilgen: „er ist viel interessanter“ oder „das ist viel besser“, usw.
Manchmal fehlt schlichtweg das Subjekt, wodurch eine Weglassung entstehen kann oder es gibt unspezifische Bezugsworte, wie z. B. „etwas hat sich verändert“ oder „man mag mich“.
Unspezifische Verben sind ebenfalls sehr beliebt und können ein Zeichen dafür sein, dass der Sender etwas tilgt. „Der Lehrer hat mich gelobt“.
Darüber hinaus gibt es Nominalisierungen, die dazu dienen können, Informationen zu Gunsten des Redeflusses wegzulassen. Aussagen wie zum Beispiel „ich habe Erfolg“ oder „ich habe wieder Hoffnung“ können darauf einen Hinweis geben.
Weglassungen sind sehr machtvoll und wirkungsvoll, um Informationen auf das Wesentliche zu reduzieren und den Empfänger nicht zu sehr zu langweilen. Genau wie bei den Generalisierungen kann es aber zu Problemen kommen, wenn der Empfänger andere Erfahrungen gemacht hat und deshalb das Getilgte für sein Verständnis benötigt hätte.
Verzerrungen
Verzerrungen der Realität finden in unserer Sprache ebenfalls regelmäßig ihre Anwendung. Scheinbar kann unser Gegenüber hin und wieder Gedanken lesen und tut dies mit Aussagen wie „er liebt mich nicht mehr“ oder „ich glaube, dass ich ihr viel bedeute“ kund.
Auch Äquivalenzen, also Bedeutungszuordnungen deuten auf Verzerrungen hin. Hier wird eine Vorannahme getroffen, um von der Tiefen- zur Oberflächenstruktur zu gelangen: „Er verhält sich zurückhaltend, das finde ich feige“ oder „wenn er wüsste, wie schwer mir das fällt, würde er das bestimmt nicht machen“.
Verzerrungen können Informationen verschönern, aber auch Dinge besser auf den Punkt bringen, damit der Gegenüber die Botschaft besser erfassen kann. Zum Problem werden Verzerrungen, wenn sie zu extrem werden.
Fazit
Wenn wir die Tiefenstruktur als die wahrnehmende Realität unseres Gesprächspartners betrachten, sollte sie der Teil sein, der uns am meisten interessiert. Die Kenntnis über das Meta-Modell der Sprache und der Tiefenstruktur und Oberflächenstruktur bietet uns die Möglichkeit von der Oberflächenstruktur zur Tiefenstruktur einer Person zu gelangen.
Das wichtigste Mittel, um dies zu erreichen, sind offene Fragen. Über diese ist es möglich über die Oberflächenstruktur hinaus in die Gedankenwelt des Gegenübers einzutauchen.
Offene Fragen nennt man auch „W-Fragen“, weil sie mit „wie“, „wo“, „seit wann“, „wieso“, „wer“ und „was“ beginnen. Sie lassen nicht zu, dass man einfach mit „ja“ oder „nein“ darauf antwortet.
Eine Besonderheit dabei sind Fragen, die mit „warum“ beginnen. Die meisten Menschen fühlen sich durch Warum-Fragen dazu angeregt eine rationale Antwort zu geben, wodurch die emotionalen Aspekte der Botschaft eher in den Hintergrund geraten.
Ein paar Beispiele gefällig?
Beispiel | Meta-Modell-Verletzung | Frage |
---|---|---|
„Sie hört mir nie wirklich zu.“ | Universalquantoren | „Niemals?“ „Was würde passieren, wenn sie zuhören würde?“ |
„Ich kann ihm nicht die Wahrheit sagen.“ | Modaloperatoren | „Was hält Dich davon ab?“ |
„Sie schreit mich dauernd an, sie mag mich nicht.“ | Gleichsetzung | „Bedeutet Anschreien immer ‚nicht mögen’?“ |
„Ich fühle mich unwohl.“ | Einfache Tilgung | „Wegen was (wem) fühlst Du Dich unwohl?“ |
„Sie hören mir nicht zu.“ | Fehlender Referenzindex | „Wer genau hört Dir nicht zu?“ |
„Das ist mir zu teuer.“ | Vergleichende Tilgung | „Es ist teurer als was? Im Vergleich wozu?“ |
„Er lehnt mich ab.“ | Unspezifische Verben | „Wie lehnt er Dich ab?“ „Was genau macht er, dass Du Dich abgelehnt fühlst?“ |
„Du magst mich nicht.“ | Gedankenlesen | „Woher weißt Du, dass ich Dich nicht mag?“ |
„Es ist schlecht, inkonsequent zu sein.“ | Überzeugung | „Wer sagt das?“„Für wen ist es schlecht, inkonsequent zu sein?“ |
„Du machst mich traurig.“ | Ursache – Wirkung | „Wie beeinflusst Dich das, was ich mache dahingehend, dass Du meinst, traurig sein zu müssen?“ |
„Wenn mein Mann wüsste, wie sehr ich leide, würde er das nicht tun.“ | Vorannahmen | „Wie leidest Du?“ „Woher weißt Du, dass Dein Mann es nicht weiß?“ „Woher weißt Du, dass Dein Mann sich dann anders verhalten würde?“ |
„Er ist ein Versager.“ | Nominalisierung | „Worin hat er versagt?“ |
Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen. Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter. Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.
Charles Reade (1814 – 1884), englischer Schriftsteller
Sprache ist unheimlich spannend, findest Du nicht auch?
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