Gruppendymanik und Gruppenprozesse
Menschen sind soziale Wesen. Es ist tief in unserer DNA verankert, dass wir uns sozialen Gemeinschaften zugehörig fühlen wollen. Das liegt daran, dass unsere Überlebenschancen immer schon dramatisch gestiegen sind, wenn wir im Schutz einer Gruppe leben konnten.
Auch heute sind wir häufig in Kontakt mit anderen Menschen und bilden natürlicherweise Gruppen miteinander. Egal ob im privaten Leben oder auf der Arbeit.
Heute möchte ich ein wenig näher darauf eingehen, wie eine Gruppe entsteht, was sie zusammenhält, welchen Regeln sie folgt und wie eine kommunikative Atmosphäre durch Gruppenregeln entstehen kann.
In der Interaktion untereinander entstehen typische Denk- und Verhaltensweisen. Diese Gruppendynamik beeinflusst sehr stark, welche Rolle innerhalb der Gruppe ein Mitglied einnimmt und mit welchem Verhalten von ihm zu rechnen ist.
Jede Gruppe durchläuft vom Entstehen bis zur Auflösung bestimmte Entwicklungen, die man Gruppenprozess nennt. Diese Gruppenprozesse werden in großem Maße durch Rahmenbedingungen bestimmt, so dass der Gruppenleiter sie ganz intensiv beeinflussen und steuern kann, in dem er die Rahmenbedingungen seinen Zielen entsprechend optimiert.
Vielleicht hilft Dir der ein oder andere Hinweise ja dabei, Dich innerhalb Deiner Gruppierungen (noch) besser einbringen zu können oder Dich (noch) wohler in einer Gruppe zu fühlen.
Wie immer freue ich mich über Deine persönlichen Erfahrungen zu diesem Thema in den Kommentaren.
Inhalt
Wie eine Gruppe entsteht
Zuerst das Offensichtliche: Wir sprechen von einer Gruppe, wenn mindestens zwei Menschen beteiligt sind. Die Mitglieder einer Gruppe haben häufig ein gemeinsames Ziel, eine Aufgabe oder einen Auftrag, wodurch sie mehr oder weniger „gezwungen“ werden, miteinander in Beziehung zu treten. Durch diese Beziehung beeinflussen sie sich gegenseitig. Eine Gruppe erstellt eigene Normen und Regeln, um das Gruppenleben zu ermöglichen.
Es gibt ein paar grundlegende Regeln, damit eine Gruppe auch wirklich als Gruppe angesehen werden kann:
- Die Gruppenmitglieder haben ein Gefühl der Gruppenzugehörigkeit.
- Die Gruppenmitglieder pflegen untereinander einen achtsamen und respektvollen Umgang mit den emotionalen Bedürfnissen der anderen.
- Die Gruppenmitglieder wertschätzen die Anderen.
Stell Dir z. B. eine Busreise vor. Die Menschen steigen in den Bus ein und fahren los, da sie alle eine Urlaubsreise antreten. Zwar sind sie alle zum gleichen Zeitpunkt im gleichen Bus, aber sie gehen keinerlei Beziehung miteinander ein. Sollte es im Verlauf der Fahrt zu einer Gefahrensituation kommen, so ändert sich diese Situation. Es entsteht eine Gruppe, denn die Bus-Insassen sehen sich nun plötzlich einer gemeinsamen Aufgabe gegenüber. Die Gruppe wird jetzt damit beginnen eine Struktur aufzubauen und die einzelnen Reisenden nehmen verschiedene Rollen ein.
Was Gruppen zusammenhält: Gruppenkohäsion
Gruppen können erstaunlich lange bestehen. Es kann zwar immer mal wieder vorkommen, dass einzelne Gruppenmitglieder sich abwenden oder aus der Gruppe austreten, so lange aber immer noch genügend konstruktive Mitglieder da sind und ein gemeinsames Ziel oder eine gemeinsame Aufgabe formuliert ist, besteht die Gruppe weiter.
Nehmen wir das Beispiel von vorhin: Kommt unsere Reisegruppe in eine gefährliche Situation und müssen die Gruppenmitglieder gemeinsam ihr Überleben sichern, fühlen alle den notwendigen emotionalen Halt, um ihren Aufgaben innerhalb der Gruppe nachzukommen und für das gemeinsame Ziel zu kämpfen.
Ab dem Moment, in dem die Rettung stattgefunden hat und die Gefahrensituation aufgelöst wurde, verliert die Gruppe ihr Ziel. Und damit beginnt auch das „Wir-Gefühl“ zu zerfallen.
Eine hohe Gruppenkohäsion fördert den Teamgeist und kann sogar dafür sorgen, dass einzelne Mitglieder ihre individuellen Bedürfnisse zurückstellen und sich ganz in den Dienst der Gruppe stellen. Vermutlich geschieht dies aber nicht ohne Nutzenkalkühl. Die Zugehörigkeit zu der Gruppe muss irgendeinen Vorteil für den einzelnen versprechen, z. B. einen höheren Selbstwert durch die Zugehörigkeit innerhalb eines sozialen Kontextes. Dazu muss sich die eigene Gruppe aber von anderen unterscheiden und sich klar von anderen Gruppen abgrenzen.
Die Merkmale einer Gruppe
Ganz sicher bist auch Du Mitglied in ganz vielen verschiedenen Gruppen. Du bist z. B. ein Mitglieder Deiner Familie, Deines Freundeskreises, bist vielleicht in einem Verein oder einem Verband. Du bist ein Bürger Deines Landes, ein Arbeitnehmer innerhalb eines Betriebes. Und gerade in diesem Moment gehörst Du zur Gruppe der Leser meines Blogs. 😉
Es gibt also viele Gruppen, denen Du schon angehörst oder vielleicht noch angehören wirst. Aber was genau sind die Merkmale einer Gruppe?
- Die Gruppenmitglieder haben ein gemeinsames Ziel.
- Jedes Gruppenmitglied steht in einer oder mehreren Beziehungen zueinander.
- Die Gruppenmitglieder fühlen sich der Gruppe zugehörig, es herrscht ein Wir-Gefühl.
- Die Gruppe setzt eigene Normen und Regeln fest.
- Aufgaben und Verantwortlichkeiten innerhalb der Gruppe sind festgelegt.
- Emotionale Bedürfnisse jeder und jedes Einzelnen werden beachtet und respektiert.
- Die Mitglieder schätzen einander. Auch störende Mitglieder einer Gruppe erfüllen eine notwendige Funktion.
Das Individuum in der Gruppe
Wie oben schon erwähnt, strebt jeder Mensch nach der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Gruppierungen oder Gemeinschaften. Der Wunsch nach Zugehörigkeit ist ein Grundbedürfnis eines jeden Individuums. Von Geburt an. Darüber hinaus gibt es weitere Grundbedürfnisse, die dadurch befriedigt werden können, Dich einer Gruppe anzuschließen:
- Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit.
- Das Bedürfnis danach Einfluss auszuüben.
- Das Bedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung.
Arbeitsfähigkeit durch Gruppenregeln
Es gibt immer wieder Gruppen, die Dir vielleicht ein wenig elitär vorkommen. Die einzelnen Mitglieder tragen – bildhaft gesprochen – ein Schild vor sich her, auf dem „Du kommst hier nicht rein!“ steht. Es kann verschiedene Gründe haben, wieso einzelne Gruppen sich so verhalten. Es könnte zum Beispiel daran liegen, dass die Gruppe sich selbst noch nicht richtig gefestigt hat und keine stabile Phase eingenommen hat. Daher schützen sich die Gruppenmitglieder, nicht noch mehr „Unruhe“ durch neue Mitglieder zu verursachen. Oder die Gruppe hat sich ganz bewusst gemeinsam dafür entschieden, keine weiteren Mitglieder aufzunehmen oder diese einem Auswahlprozess zu unterziehen. So steigt die Exklusivität der Gruppe und dadurch der Selbstwert jeder und jedes Einzelnen innerhalb der Gruppe.
Jeder, der Teil einer Gruppe sein möchte, sollte drei wichtige Grundsätze erfüllen.
Vertrauen
Häufig ist das eigene Selbstvertrauen in einem ähnlichen Maße ausgeprägt, wie das Vertrauen das wir anderen entgegenbringen. Dieses Vertrauen ist eines der wichtigsten Voraussetzungen, um sich konstruktiv in eine Gruppe einzufügen.
Das genannte Selbstvertrauen umfasst vier wesentliche Bereiche sozialer Fertigkeiten:
- In der Lage sein, etwas zu fordern.
- „Nein“ sagen zu können und Grenzen zu setzen.
- Kontakt aufnehmen und auch aufrechterhalten zu können.
- Mit öffentlicher Aufmerksamkeit und auch Kritik umgehen können.
Feedback und Kritik
Eine weitere wichtige Regel ist es, dass Du konstruktiv mit Feedback und Kritik umgehen kannst. Sowohl passiv als auch aktiv. Es gibt hier im Blog einen eigenen Artikel zum Thema Feedback, den ich Dir hiermit ans Herz legen möchte.
Hier die wichtigsten Fähigkeiten dazu:
- Das Verhalten anderer neutral zu beschreiben und dabei auf Interpretation verzichten.
- Gezieltes Feedback nur dann abzugeben, wenn es auch wirklich nützlich sein kann.
- Eigene Gedanken und Reaktionen mitteilen.
- Keine Forderung zur Änderung des Anderen aussprechen, sondern Wünsche formulieren.
Kommunikationsfähigkeit
Kommunikation ist innerhalb einer Gruppe das A und O. Missverständnisse durch unklare Kommunikation sind der häufigste Faktor für Streit und Auseinandersetzungen.
Daher solltest Du diese Regeln ernst nehmen:
- Halte Deine Aussagen persönlich und kleide sie nicht in Fragen.
- Sprich ausschließlich über Dich selbst in der „Ich-Form“ und verstecke Deine Aussagen nicht hinter der „Wir-“ oder „Man-Form“.
- Vermeide es, die Aussagen und das Verhalten der anderen in der Gruppe zu interpretieren. Frage stattdessen nach, das hilft Dir dabei, Deine eigenen inneren Hypothesen mit dem tatsächlichen Ist-Zustand abzugleichen.
- Beobachte die Anderen gut, damit Du auch auf Signale in ihrer Körpersprache achten kannst.
- Nimm Deine eigenen Gefühle und Bedürfnisse wahr und ernst und bringe sie zum Ausdruck.
Fazit
Jeder von uns möchte dazugehören und Teil einer Gruppe sein. Das ist ein tiefes Bedürfnis und hilft uns zu überleben, da viele unserer Bedürfnisse dadurch gestillt werden.
In zukünftigen Blog-Beiträgen werde ich weitere gruppenrelevante Themen behandeln. Ich freue mich auf Dein Feedback in den Kommentaren!
One thought on “Gruppendymanik und Gruppenprozesse”
Wieder ein Thema klug beleuchtet, welches einem täglich begegnet dem man aber vorher nie aus diesem Blickwinkel betrachtet hat. Vielen Dank!